Gründen oder nicht? Der Online-Check

Mit einem neuen Persönlichkeitstest können Gründungsinteressierte ihre Eignung überprüfen. Doch wie aussagekräftig ist das Verfahren wirklich?

„Nicht reich muss man sein, sondern unabhängig.“ Dieses Bonmot der bereits verstorbenen Börsenkoryphäe André Kostolany bringt ungewollt das Ergebnis einer aktuellen Studie zum Thema „Persönlichkeit von Gründern/-innen“ auf den Punkt. Denn Unabhängigkeitsstreben ist ein sehr starker, motivierender Faktor für Gründer/-innen, selbst wenn sie nach der Gründung oft eine lange finanzielle Durststrecke vor sich haben.

Allerdings verfügen nicht alle Gründungswilligen über die persönlichen Voraussetzungen, um erfolgreich ein Unternehmen zu gründen und zu führen. „Der weitaus größte Teil der Gründerinnen und Gründer bricht in den ersten fünf Jahren aus persönlichen Gründen ab, ohne unmittelbaren wirtschaftlichen Zwang“, wie dem KfW-Gründungsmonitor 2023 zu entnehmen ist. Hier setzt ein neues Testverfahren an, dass die Handelskammer Hamburg gemeinsam mit Experten für ihr Projekt „Unternehmenswerkstatt Deutschland“ entwickelt hat.

Der Online-Test „Gründerpersönlichkeit“ soll Interessierten helfen, ihre persönlichen Stärken und Schwächen im Hinblick auf eine mögliche Unternehmensgründung besser einzuschätzen. „Viele Menschen träumen davon, ihr eigener Chef zu sein. Aber nicht jeder ist dafür geeignet“, erklärt Diplompsychologe Dr. Walter Lieberei von Lieberei Consulting, einer der Entwickler des Tests. „Mit unserem Verfahren wollen wir potenziell Gründende dabei unterstützen, eine fundierte Entscheidung zu treffen.“

Wissenschaftliche Grundlage

Der Test basiert auf umfangreichen wissenschaftlichen Studien, die sich mit den Persönlichkeitsmerkmalen erfolgreicher Unternehmer befassen. „Wir haben die aktuelle Forschungsliteratur ausgewertet und daraus die relevanten Faktoren abgeleitet“, erläutert Wolfgang Laier von der Firma Enterra, der ebenfalls an der Entwicklung beteiligt war.

Risikobereitschaft, Beharrlichkeit, Leistungsmotivation und Offenheit haben sich in der Forschung als besonders relevant für unternehmerischen Erfolg erwiesen.“

Wolfgang Laier (Enterra)

In einer Pilotstudie wurde zunächst ein Fragebogen mit 60 Selbstaussagen erstellt, der zehn verschiedene Persönlichkeitsmerkmale erfasst. Bei der Entwicklung kam auch modernste KI-Technik zum Einsatz. Zu den für Gründende besonders wichtigen Persönlichkeitsmerkmalen gehören unter anderem Risikobereitschaft, Beharrlichkeit, Leistungsmotivation oder Offenheit. „Diese Eigenschaften haben sich in der Forschung als besonders relevant für unternehmerischen Erfolg erwiesen“, so Laier.

Nach der Auswertung der Pilotstudie wurde der Fragebogen optimiert und in einer groß angelegten Hauptstudie validiert. Insgesamt nahmen 1134 Personen an der Untersuchung teil, darunter sowohl Angestellte als auch Selbstständige und Unternehmensgründerinnen und -gründer. „Die große Stichprobe ermöglicht es uns, sehr genaue Vergleichswerte zu liefern“, betont Jan Schlüter von der Handelskammer Hamburg.

Aussagekräftige Ergebnisse

Die Auswertung der Daten zeigt, dass der Test tatsächlich zwischen Angestellten und Selbstständigen beziehungsweise Gründenden unterscheiden kann. Bei acht von zehn erfassten Persönlichkeitsmerkmalen gibt es statistisch signifikante Unterschiede zwischen den beiden Gruppen. Besonders deutlich zeigt sich dies beim Streben nach Unabhängigkeit – ganz im Sinne des eingangs zitierten Kostolany.

„Entscheidend ist, dass man seine eigenen Stärken und Schwächen kennt und entsprechend damit umgeht.“

Dr. Walter Lieberei (Lieberei Consulting)

„Selbstständige und Unternehmensgründer zeigen im Durchschnitt eine höhere Ausprägung bei Eigenschaften wie Risikobereitschaft, Durchsetzungsvermögen und Leistungsmotivation“, fasst Ayhan Saka von der Handelskammer Hamburg die Ergebnisse zusammen. „Allerdings sind die Unterschiede in den meisten Fällen nicht so groß, wie man vielleicht erwarten würde.“

Dies deckt sich mit den Erkenntnissen der Forschung: Es gibt nicht den einen Unternehmertypus, sondern verschiedene Persönlichkeitsprofile können zum Erfolg führen. „Entscheidend ist, dass man seine eigenen Stärken und Schwächen kennt und entsprechend damit umgeht“, betont Lieberei.

Praxisnahe Anwendung

Der Online-Test ist so konzipiert, dass er in etwa 10 Minuten bearbeitet werden kann. Die Teilnehmenden beantworten Fragen zu ihren Einstellungen und Verhaltensweisen in verschiedenen beruflichen Situationen. Im Anschluss erhalten sie einen ausführlichen Ergebnisbericht, der ihre persönlichen Ausprägungen in den verschiedenen Dimensionen aufzeigt und mit Vergleichswerten in Beziehung setzt. „Wir wollen mit dem Test keine Prognose darüber abgeben, ob jemand mit einem neuen Unternehmen erfolgreich sein wird oder nicht“, stellt Schlüter klar. „Es geht vielmehr darum, eine Reflexionsgrundlage zu schaffen und Denkanstöße zu geben.“ Der Bericht enthält daher auch Handlungsempfehlungen, wie sich mögliche Schwachstellen verbessern lassen.“ Die Handelskammer Hamburg plant, den Test künftig in ihre Gründerberatung zu integrieren. „Er soll als niedrigschwelliges Angebot dienen, um den Einstieg in eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Thema Selbstständigkeit zu erleichtern“, erklärt Saka. Auch für bereits aktive Unternehmer könne der Test interessant sein, um die eigenen Stärken und Entwicklungspotenziale besser einzuschätzen.

Grenzen der Aussagekraft

Trotz der vielversprechenden Ergebnisse warnen die Experten davor, die Bedeutung des Tests zu überschätzen. „Persönlichkeitsmerkmale sind nur ein Faktor unter vielen, die über den Erfolg oder Misserfolg einer Unternehmensgründung entscheiden“, gibt Lieberei zu bedenken. Auch fachliche Kompetenzen, Branchenkenntnisse und nicht zuletzt eine tragfähige Geschäftsidee seien entscheidend. Die Entwickler betonen, dass der Test keine hundertprozentige Treffsicherheit aufweist. „Mit unserem Modell können wir etwa 19 Prozent besser vorhersagen, ob jemand selbstständig oder angestellt ist, als dies durch eine reine Zufallsauswahl möglich wäre“, erläutert Laier. „Das ist ein guter Wert für ein psychometrisches Testverfahren, jedoch keine perfekte Prognose. Zum Vergleich: Dieser Wert entspricht in etwa dem prognostizierten Zusammenhang zwischen Rauchen und Lungenkrebs und liegt deutlich über dem Wirkungsgrad einer traditionellen Glühbirne von fünf Prozent. Wer möchte auf solch wertvolle Informationen und Tools verzichten?“ Ein weiterer Punkt, den es zu beachten gilt: Der Test erfasst die aktuelle Persönlichkeitsstruktur einer Person. „Viele Aspekte, die für Unternehmerinnen und Unternehmer wichtig sind, lassen sich bis zu einem gewissen Grad auch trainieren und entwickeln“, betont Schlüter. So könne man beispielsweise lernen, besser mit Risiken umzugehen oder seine Durchsetzungsfähigkeit zu verbessern.

Ausblick und Weiterentwicklung

Die Entwickler sehen den Test als ersten Schritt auf dem Weg zu einer umfassenderen Diagnostik für potenzielle Gründer. „Wir planen, das Verfahren um weitere Bausteine zu ergänzen“, verrät Saka. Denkbar seien etwa Wissenstests zu betriebswirtschaftlichen Grundlagen oder ein biografischer Fragebogen, der relevante Erfahrungen erfasst. Auch eine Längsschnittstudie, die Teilnehmer über mehrere Jahre begleitet, steht auf der Wunschliste. „So könnten wir noch genauer untersuchen, welche Faktoren tatsächlich zum langfristigen unternehmerischen Erfolg beitragen“, erklärt Lieberei.

Fazit: Hilfreiches Instrument mit Grenzen

Der neue Persönlichkeitstest für Gründer ist ein vielversprechendes Instrument, um die Selbstreflexion potenzieller Unternehmer zu fördern. Er kann wertvolle Hinweise auf persönliche Stärken und Entwicklungsfelder geben. Allerdings sollte er nicht als alleinige Entscheidungsgrundlage für oder gegen eine Unternehmensgründung herangezogen werden.

„Letztlich geht es darum, sich selbst besser kennenzulernen und realistisch einzuschätzen“, fasst Laier zusammen. „Wer weiß, wo er steht, kann gezielt an sich arbeiten und seine Chancen auf Erfolg verbessern.“ In diesem Sinne kann der Test ein wichtiger Baustein auf dem Weg in die Selbstständigkeit sein – ganz im Geiste Kostolanys, der die Unabhängigkeit als höchstes Gut pries.

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