VUCA im Kontext der Digitalisierung

Der Begriff VUCA fasst die Herausforderungen zusammen, denen sich Unternehmen in einer zunehmend digitalisierten Welt stellen müssen. Die Digitalisierung und mithin die Entwicklung in Richtung Big-Data, Internet-of-Things oder Industrie 4.0 läuten eine Revolution von Wirtschaft und Gesellschaft ein. Neue Technologien werden immer schneller entwickelt und durchdringen unseren Alltag in einer rasenden Geschwindigkeit. In dieser Situation ist noch völlig unklar, welche Rolle der Mensch dabei spielt – ob als Opfer oder als Gestalter dieser Veränderung. Der Begriff, der diese Situation beschreibt, lautet VUCA.

Um es vorweg zu nehmen: Ich bin kein Freund solcher Buzzwords. Sie ziehen häufig viel Aufmerksamkeit auf sich, ohne einen wirklichen Nutzen zu bringen. Ihre aufdringliche Nutzung erschwert es häufig, klare Gedanken zu formen. Und zu viele von diesen Buzzwords auf einmal versperren die Sicht auf das wirklich Wesentliche. Deshalb sind beispielsweise solche Begrifflichkeiten wie "agil" und "4.0" nicht sonderlich hilfreich. Allzu oft werden diese vor oder hinter alles geschrieben und somit die Hoffnung verbunden, ein bisschen disruptiven Transformationszeitgeist versprühen zu können und zu signalisieren: Ich bin am Puls der Zeit und habe (vermeintlich) alles im Griff.

VUCA beschreibt ein neues Denken

Der Begriff VUCA entstand ursprünglich in den 90er Jahren an einer amerikanischen Militärschule und beschreibt vier zentrale Phänomene, die unsere heutige Wirtschaftswelt auszeichnen: Volatilität (engl. Volatility), Unsicherheit (engl. Uncertainty), Komplexität (engl. Complexity) und Mehrdeutigkeit (engl. Ambiguity).

Die Digitalisierung zeigt eines sehr deutlich: je schneller sich die Welt verändert, umso endlicher wird unser Wissen. Das was gestern noch gut war, kann morgen schon anders sein. Die technische Entwicklung beschleunigt zudem zunehmend das Ende von Massenproduktion. Branchengrenzen lösen sich auch zunehmend auf. Hersteller die gestern noch Farbstifte gemacht haben, machen heute farbige Nagellacke. Der Kreislauf von VUCA beginnt erneut: Die Kunden von heute sind nicht mehr zwangsläufig auch die Kunden von morgen. Der Tendenz zu VUCA kann man nicht mit generellen und bisher allgemein gültigen Managementstrategien begegnen. Lineare Lösungen, lineares Denken, lineares Management und lineare Karrieren sind in einer dynamischen, volatilen, veränderungsstarken und mehrdeutigen Welt keine Lösung, sondern ein Problem.

So wurden z.B. in der letzten Finanzkrise viele Unternehmen mit einer von VUCA beschriebenen Situation konfrontiert. Diese war gekennzeichnet durch hohe Turbulenzen und zahlreiche unvorhersehbare Auswirkungen. VUCA scheint auf den ersten Blick den Gegnern einer allzu genauen strategischen und operativen Planung neue Argumente zu liefern. Auf den zweiten Blick ist VUCA jedoch auch ein Denkanstoß für Strategen und Planer, die mögliche Risiken bisher zu wenig in ihre Planungen haben einfließen lassen. VUCA beschreibt zudem, dass die Umwelt, in der wir uns bewegen, einen ganz elementaren Einfluss auf die Wertschöpfungskraft einer Organisation und eines jeden Mitarbeiters hat. Somit fordert uns VUCA heraus bisherige Spielregeln erfolgreicher Unternehmensführung systematisch zu hinterfragen.

Wagt man einen Blick in die Politik, so zeigt es sich sehr gut, dass Methoden, Strukturen und Glaubenssätze aus der Vergangenheit nicht mehr auf die Gegenwart und schon gar nicht mehr auf die Zukunft anwendbar sind. Dies zeigen aktuelle Wahlergebnisse sehr deutlich. In Unternehmen gilt aber das gleiche, nur kommen dort die Ergebnisse häufig erst sehr spät zum Vorschein, da man immer wieder versucht die Realität zu umschreiben. Dazu wird an vielen Stellen viel Energie aufgebracht um dies zu verdrängen und zu katuschieren. Letztendlich vernichten diese jedoch Teile der Wertschöpfung und kann für Unternehmen im schlimmsten Fall zu existenzieller Not führen.

VUCA für Top-Manager und Führungskräfte

Doch was bedeutet das nun konkret für Manager in Unternehmen? Wie entsteht in einer durch VUCA geprägten Welt eine substantielle Wertschöpfung für das Unternehmen? Was sind die neuen Erfolgsfaktoren einer unternehmerischen Elite, die mit Mut, Neugierde und einer großen Portion Pioniergeist an vorderster Front experimentiert?

Die wichtigsten Erkenntnisse kann dabei grob in drei Kernthesen zusammenfassen.

1. Umarme den Erfolg und kämpfe nicht dagegen an

In der Praxis kämpfen nicht allzu wenige immer noch gegen das an, was sich eh nicht ändern lässt. Dies kostet unendlich viel Ressourcen, wie Zeit, Kapital und Energie, die dann an anderer Stelle fehlt um tatsächlich etwas zu verändern oder zu bewegen.

Eine der zentralen VUCA-Aussagen dahingegen lautet: wähle klug in welchem Kontext du dich bewegst. Verzichte darauf dich über die Welt zu beschweren, sondern nehme die Umgebungsparameter und Ereignisse als Einladung an dich, das Team oder die Organisation weiter zu entwickeln und die Chancen die sich daraus ergeben in einem neuen Licht zu sehen.

Ganz im Sinne von Einstein: “We can't solve problems by using the same kind of thinking we used when we created them.”

2. Verfalle nicht in hektische Panik aber handle schnell

Man läuft schnell Gefahr in Aktionismus zu verfallen ohne dabei zu merken, dass sich das Rad der Welt ganz anders dreht. Wurde z.B. eine falsche Entscheidung getroffen, so wird versucht diese allzu häufig in hektischer Panik zu verändern, statt das man sich ganz bewusst wieder auf den Kern der Sache fokussiert.

Dies bedeutet, dass man auch mal ganz bewusst das Tempo rausnimmt und darüber nachdenkt, was falsch gelaufen ist oder wie man etwas verbessern kann. Dort wo Reflektion die Wertschöpfung verbessert, dort sollte man genau darüber nachdenken und nicht einem Aktionismus verfallen. Die erforderliche Zeit gewinnt man in dem man nicht schneller, sondern klüger arbeitet.

Bezogen auf Führungskräfte, sollte man nie vergessen, dass Führungskräfte auch einmal falsch entscheiden können. Der Unterschied besteht darin, dass gute Führungskräfte nur wenige falsche Entscheidungen treffen und auch die Qualität haben diese zu managen.

3. Nutze die Wir-Intelligenz statt die Ich-Intelligenz

Betrachtet man die Menge an Daten und dass ca. 90 Prozent des heutigen weltweiten Datenbestandes in den letzten zwei Jahren entstanden ist und sich diese Datenmenge jedes Jahr verdoppelt, so wird einem schnell klar, in welcher Geschwindigkeit die Komplexität innerhalb kürzester Zeit zugenommen hat.

In einer globalen Wissensgesellschaft sind wir zunehmend darauf angewiesen, vernetzt zu denken und zu arbeiten - und wir erkennen, dass der Einzelne (das Individuum, eine einzelne Abteilung oder einzelne Organisation) nicht in der Lage ist, die VUCA-Herausforderungen alleine zu lösen. Wenn es Mitarbeitern oder Organisationen gelingt, auf offizielle und inoffizielle Netzwerke als Ressource zuzugreifen und diese zum Wohle der Gemeinschaft einzusetzen, gehört diesen die Zukunft. Jedoch erfordert diese auch, die Führung in die Lage zu versetzen schnell die richtigen Entscheidungen zu treffen, was in der Praxis leider oft im Widerspruch zu starren Hierarchien steht. Um diese zu ermöglichen sind klare Spielregeln sowie ein gemeinsames Verständnis über den Zweck des gemeinsamen Tuns förderlich.

Tom Malone (MIT) hat dies sehr gut in einem Satz zusammengefasst "Einige der wichtigsten Innovationen entstehen nicht durch neue Technologien, sondern durch andere Arten zusammenzuarbeiten und Arbeit zu organisieren."

Immer mehr Unternehmen bedienen sich dazu neuer Instrumentarien, die von hybriden Rollenmodellen, über Team-Selbstorganisation und wirkungsvolleren Steuerungsinstrumente bis hin zu innovativen Entscheidungsmethoden reichen.

VUCA wirft die bisherigen Spielregeln erfolgreicher Unternehmensführung über Bord und definiert neue Spielregeln für eine neue Zeit. VUCA lädt aber auch dazu ein, mit Neugierde, Leidenschaft und der Gabe des echten Zuhörens unsere Zukunft nach neuen Spielregeln erfolgreich zu gestalten. Ganz im Sinne von Karl Poppers These: "Statt als Propheten zu posieren, müssen wir zu den Schöpfern unseres Geschicks werden".

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